Fischen in den Mangroven

Die Familie, die auf dem Weg zum Strand wohnt, kennen wir inzwischen ganz gut. Wir waren dort schon zum Essen eingeladen und ich habe beim Transport von Zementsäcken geholfen. Der älteste Sohn heißt Ebrima. Und wenn er nicht gerade mit seiner Großfamilie im Schatten sitzt (so wie es hier gang und gäbe ist), oder einen Auftrag als Schneider hat, dann geht er Fischen. Abends am Strand vereinbaren wir, dass ich am nächsten Morgen mit Fischen gehen darf. „Come 7 o’clock!“ Und ich frage noch, ob es um 7 losgeht und ob ich schon etwas früher da sein soll… nein. Sieben Uhr.

Am nächsten Morgen, sieben Uhr kurz nach Sonnenaufgang bin ich auf seinem Grundstück. Die Hühner und Ziegen sind schon wach, sonst ist noch nichts los. Bin ich zu spät? Einer von Ebrimas zahlreichen Brüdern kommt heraus. Ebrima schläft noch… ich rufe ihn an. Wir vereinbaren neun Uhr.

Um neun Uhr bin ich wieder da. Ebrima schläft immer noch. Aber jetzt steht er auf, macht sich frisch. Eine halbe Stunde später ist er startklar. „Let’s go!“ Doch wir gehn nicht zum Strand, sondern ins Dorf, die anderen Fischer treffen. Zuerst gehen wir zum Kapitän des Fischerboots. Er steht auch gerade auf… dann laufen wir durchs Dorf und treffen unterwegs die anderen Besatzungsmitglieder. Als nächstes: Frühstück einkaufen, Kohle und Schwarztee besorgen. Danach treffen sich alle am Strand zum Frühstücken.

Ebrima

Doch dann geht es tatsächlich los. Wir überqueren den breiten Gambia-Fluss (5 km) zur Hauptstadt Banjul. Dort halten wir kurz um Trinkwasser zu besorgen. Einer der beiden Jungs, die uns begleiten, schwimmt los und kommt mit einem gefüllten Eimer wieder.

Zwischenstopp in Banjul
Einen Eimer voll Wasser gekauft.
Trostloses Fischerboot

Auf dem Weg zu unserem Fischfanggebiet in den Mangroven wird in einer alten Autofelge als Grillschale Ataya – ein extrem intensiver und süßer Grüntee – gekocht und rumgereicht.

Bootfahren und Ataja trinken
Die Besatzung

Bisher ist das Fischerleben sehr gemütlich, doch das ändert sich nun. Am Rand des Fl

ussarmes springen vier Männer ins Wasser und halten ein Ende des mehrere hundert Meter langen Netzes fest. Das Boot mit Kapitän, den beiden Jungs und mir fährt los. Das Netz wird in einem großen Kreis ausgeworfen. Ich bin beeindruckt, wie gut alle aufeinander abgestimmt sind, besonders die beiden Jungs sind eifrig und routiniert. Das Boot wird in den Mangroven geparkt und auch wir springen ins Wasser. Nun folgt eine Stunde lang Schwerstarbeit. An beiden Enden wird gezogen, sodass der Kreis immer kleiner wird. Wir stehen bis zur Hüfte im Wasser und bis zu den Knien im Mangroven-Sumpf. Hau Ruck hau Ruck… bei 33 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit kühlt auch das warme Flusswasser nur wenig. Die mehr und mehr zusammengepferchten Fische kräuseln erst die Wasseroberfläche, dann schießen sie aus dem Wasser, bis zu zwei Meter hoch und versuchen zu entkommen. Die Menge an Fisch ist dann aber doch kleiner als ich erwartet habe, aber ich bin fasziniert, was es hier alles für Lebewesen im Wasser gibt, Krabben und Fische in allen Formen. Der Fang wird ins Boot befördert und dort weiter sortiert. Es ist leider auch viel Müll dabei, fast so viel wie Fisch. Der wird wieder zurück ins Wasser befördert. Man kann es denn Fischern kaum übel nehmen. Schließlich sind sie zum Fischen hier und nicht zum Müll sammeln, was hier eine Aufgabe für sich wäre. Und es bleibt auch die Frage, was tun mit dem gesammelten Müll? Es gibt keine Müllentsorgung.

Wenn ich die Fische im Boot vor sich hinsterben sehe, fällt mir das nicht leicht. Dennoch ist mir klar, dass es sich hierbei noch um eine der umweltverträglichsten Art der Fischerei handelt.

Netze säubern nach dem Fang.
Was hier alles im Fluss lebt!

Wir wiederholen des Prozedere drei Mal, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Die Ausbeute war heute wohl nicht besonders groß.

Auf em Rückweg mit der Beute

Generell sind der lokale Fischfang und der Artenreichtum in den Gewässern vor der gambischen Küste stark bedroht. Die chinesische Regierung hat die Fischereirechte erworben und große Investitionen in die gambischen Wirtschaft zur Fischverarbeitung versprochen. Es sind ein paar wenige große Fischmehl Fabriken entstanden, die kaum Arbeitsplätze schaffen. Gefischt wird mit großen Trawlern, die alles Leben aus dem Meer fischen. Wenn die Kapazitäten der Fabriken ausgeschöpft sind, landet der überschüssige tote Fisch im Meer und es gibt immer wieder Strände, die mit toten Fischen übersät sind.

Obligatorisches Foto

Auf dem Rückweg bin ich ziemlich erschöpft. Die beiden Jungs haben auch mitgezogen wie die Großen und flitzen jetzt immer noch hin und her, sortieren Fische, schöpfen Wasser, und suchen sich ein paar Fische und Krabben aus, die direkt lebend auf dem Grill landen. Wieder darf der Grüntee Ataya nicht fehlen.

Der Kapitän kann kein Englisch, daher ist die Kommunikation anfangs schwierig. Als ich erfahre, dass er Senegalese ist und französisch spricht, fängt er an zu reden wie ein Buch. Er geht jeden Tag fischen, mal in die Mangroven, mal aufs offene Meer, mal bleibt er auch mehrere Tage draußen. Ich darf gerne immer wieder mitkommen, wenn ich mag. Das werde ich hoffentlich noch einige Mal in Anspruch nehmen. Die Jungs mit ihren 12 Jahren sind wohl auch fast immer dabei. Sie gehen nicht mehr zur Schule. Die anderen Fischer sind zum Teil nur gelegentlich dabei. Je nachdem was für andere Jobs sich anbieten.

Lebend und frisch auf den Grill. Ataja darf nicht fehlen.

Es scheint selbstverständlich, dass auch ich meinen Anteil Fisch bekomme und so gehe ich abends mit einer dicken Tüte voller Fische nach Hause, darunter ein großer Kugelfisch. Da ich von der Zubereitung keine Ahnung habe, bringe ich die Fische unseren Nachbarn, die für den nächsten Tag ein leckeres Mittagessen daraus bereiten. Ich bin ziemlich erschöpft und spüre meine unterentwickelten Fischermuskeln. Ebrima kommt abends noch vorbei, auf dem Weg ins Fitness-Studio. Ich lehne dankend ab.

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